Ich stehe am Morgen in Dämmerung auf dem Balkon. Alleine.
Du sagst….
…das beharrliche Vermeiden sozial tiefgründiger Kontakte sei eine bewusste Entsagung, die wiederum eine Verschleierung der Offenlegung meiner psychotischen Persönlichkeit diene.
Im Kühlschrank sind frische Säfte.
Du sagst…
… der routinierte in den Morgenstunden ausführende Drang zum Dorfbäcker sei
wie der Konsum reiner Säfte mit 100% Fruchtfleisch aus
Biofrüchten und des Fair Trade Weins ein beklagenswerter Versuch meiner
unvermögenden Herkunft zu entfliehen und so den Mittelschichtbürger nach
außen zu verkörpern, der ich im Inneren niemals erreiche.
Was hast du immer gesagt? ,Man kann sich noch so verhalten, kleiden und Umgangsformen anpassen – Niveaulosig- und Unmündigkeit der Herkunft leuchtet immer hellgrün aus den Augen‘.
Mittelfinger hoch.
Der Geschmack der bitteren Süße des Kiwi – Bananensaftes breitet sich wohltuend gemächlich über die Oberfläche der Zunge aus. Ich ergreife mit der zitternden Hand den Glaskrug und lasse das gelb grünliche Fluid langsam die grau melierte Tasse füllen, die du mir einst geschenkt hast.
Voller Erwartung beobachte ich das Füllen der Tasse. Wärst du jetzt hier, würdest du vermutlich sagen, dass meine freudige Erwartung auf den bevorstehenden Saftverzehr auf das herrische Verbot des ‚Finger nuckelns‘ und den damit einhergehenden Zorn der missglückten oralen Phase der Kindheit zurückzuführen sei.
Freud hatte Kastrationsangst… Hast du Penisneid?
Seitdem du ein Psychogramm meines angeblich kaputten Daseins gemacht hast, scheint es dir allergrößtes Begehr zu sein mich mit deiner Weisheit zu blenden in meiner trüben Welt. Was für ein Glück, das meine Seele Sonnenbrille trägt. Deine Farben sehen scheisse aus.
Der Saft dehnt sich an der Gänze der graumellierten Oberfläche des Innenraumes aus. Ich starre vor mich hin und imitiere einen gleichstufig gestimmten Ton F einer Tuba. Das brunftartige Geräusch durchströmt meinen Körper und verspricht ein Imponieren seiner Selbst.
Du sagst….
….meine Stärke sei gespielt.
Du sagst…
… das Verschleiern der fehlenden Anwesenheit einer emotionalen Stärke sei
Ausdruck für ein Mangel emotionaler Kompetenz.
Der Kreis schließt sich. Und stehst daneben.
Nun ist die Tasse voll. Unter dem Rand ist noch zwei Fingerbreit Platz. Ein Platz, damit man die ästhetisch grau mellierte Veredelung noch erkennen kann. Doch ich finde sie hässlich.
Du sagst….
… frischer Biosaft schmecke bitter.
Du sagst….
….mir fiele das bloß nicht auf, da meine Geschmacksnerven wegen der enormen
Konzentration beeinträchtigt sei.
Du sagst…
… ich hätte keinen Geschmack.
Du sagst…
….ich sei realitätsblind.
Du sagst eine Menge.
Ich führe die Tasse langsam zu meinem Mund. Das Zittern meiner Hand wird stärker. ich summe erneut bis der Tassenrand meine Lippen berührt.
Du sagst….
… meine Berührungen wären so nichtssagend.
Du sagst….
… du hast nur Ausprobieren wollen ob noch Gefühle vorhanden sind, um deine
Gefühllosigkeit wiederlegen zu wollen und um die Gleichgültigkeit nicht
auszusprechen.
Du sagst…
… es sei schmeichelhaft gewesen in meinen Augen Begehren zu sehen, das dich
an mich gebunden hätte.
Du sagst…
… ich sei bloß ein Scherbenhaufen der irgendwann anfängt zu implodieren.
Du sagst….
… es wäre an der Zeit gewesen sich von mir zu lösen.
Nun fühle ich das köstlich fruchtige Brennen des Saftes an meiner Oberlippe. Ich neige die Tasse und beide Lippen öffnen sich und formen sich zu einem Gefäß. Ich neige die Tasse weiter und mir wird plötzlich bewusst, dass sie mir aus der Hand gleitet. Ich sehe wie die graumellierte Tasse, die einst ein Liebesgeschenk von dir war, zu Boden fällt.
Du sagst….
… ich wäre immer am Boden gewesen, das sei nichts Neues.
Du sagst….
…man müsse mich tiefer zu Boden reißen, damit mir klar werde das es immer
schlechter geht.
Du sagst…
… du willst keine Verantwortung für ein 28 jähriges Kind übernehmen.
Du sagst…
… ich sei ein Träumer – zu idealistisch für die realistische Welt.
Du sagst…
… ich könnte keine Liebe empfinden, da ich mich nicht mal selbst liebe.
Du sagst…
… du willst das ich es schweigend hinnehme.
Die Tasse reißt es in tausend Teile.
Jetzt sagst du nichts mehr.